Ein MVP kann der Beginn einer echten Erfolgsgeschichte werden. Airbnb, Twitter und Dropbox sind nur drei von zahlreichen Beispielen. Doch was genau sorgt dafür, dass ein MVP Erfolg hat? Hierfür schauen wir uns an, was erfolgreiche MVPs gemeinsam haben – und zwar unabhängig von der Branche und der MVP-Art.
Bei der Analyse der erfolgreichsten MVPs der letzten Jahre kristallisieren sich deutlich einige Faktoren heraus. Befolgt man diese bei Konzeption, Erstellung und Launch des MVPs, steigt die Wahrscheinlichkeit, ein erfolgreiches MVP zu entwickeln, drastisch.
Vor der Erstellung: Richtung festlegen
1. Klare Ziele für das MVP definieren
Noch bevor man sich an die Erstellung seines MVPs macht, ist es wichtig, sich genau zu überlegen, was man mit dem MVP erreichen möchte. Mögliche Ziele könnten sein, die Produktidee zu verifizieren oder festzustellen, ob es eine signifikante Nachfrage gibt. Oder man möchte überprüfen, ob das Produkt überhaupt das Problem der Zielgruppe löst. Denkbar ist auch, ein MVP zu entwickeln, um damit Investoren für das erste Seedfunding zu gewinnen.
Wenn man das Ziel kennt, ist es empfehlenswert, klare Hypothesen zu formulieren, die man testen möchte. Eine solche Hypothese könnte lauten: „Die Produktidee X hilft Ortsunabhängigen dabei, ihre Trips besser zu organisieren“. Anschließend überlegt man, wie man diese Hypothesen so exakt wie möglich testen und messen möchte. Dies kann man etwa mit bestimmten Metrics wie Seitenaufrufen, Anzahl der Downloads oder Klicks eines „Buy now“-Buttons tun. Es ist auch sinnvoll, sich bereits vor der Erstellung zu überlegen, ab wann man sein MVP als erfolgreich ansehen würde. Sonst bekommt man am Ende Ergebnisse, die man nicht wirklich einordnen kann.
Bei zu vielen und zu komplexen Hypothesen verliert man sich leicht. Daher bleibt man am besten im Sinne des MVP-Gedankens bei möglichst minimalen Hypothesen und Zielen, die dafür aber klar definiert und gut messbar sind.
2. Idealen Nutzer für das MVP kreieren
Beim Bauen seines MVPs hat man im besten Fall eine Person als Zielgruppe im Kopf: den idealen Kunden. Das kann man beispielsweise einfach über eine Persona regeln oder – noch besser – über eine lebende Person, die man kennt. Man versetzt sich dabei in den idealen Kunden hinein und fragt sich: Welches konkrete Problem löse ich für ihn?
3. Zielgruppe genau definieren
Die Zielgruppe sollte kaufwillig und aktiv sein. Zudem ist es wichtig, dass sie zugänglich und erreichbar ist, beispielsweise für Online-Marketing. So genau, wie man seine Zielgruppe kennen muss, so genau muss auch das MVP auf diese Zielgruppe zugeschnitten sein. Dadurch bekommt man messbare Insights, um seine Produktidee zu validieren. Einer der größten Fehler ist, das MVP so generisch zu halten, dass es keine klare Zielgruppe mehr anspricht. Das passiert meist aus der Motivation heraus, alle mitnehmen zu wollen. Dabei ist zu bedenken: Wenn ein MVP in der Nische keinen Erfolg hat, hat es auch für ein breites Publikum keinen Erfolg.
4. Möglichst breites Feedback einholen
Das klingt erst einmal nach einem Widerspruch zu den vorherigen Punkten. Dabei ist beides richtig. Es ist wichtig, sicherstellen, dass es auf dem Markt den idealen Kunden nicht nur einmal gibt, sondern dass es zahlreiche Menschen gibt, die seine Eigenschaften teilen und daher wertvolle Beiträge zur Verbesserung des MVPs leisten können. Die Idee, die die vermeintlich widersprüchlichen Faktoren vereint, ist also: Man erstellt sein MVP zwar mit einer bildlichen Person im Kopf, aber mit der Gewissheit, dass es mehrere Personen mit demselben Problem und denselben Eigenschaften gibt, also einen Markt mit genug Nachfrage für das Produkt.
5. Das MVP sollte so geplant werden, dass es leicht auf größere Märkte erweitert werden kann
Damit das MVP sich wirklich auf dem Markt erfolgreich durchsetzt, muss eine kritische Masse von Benutzer:innen erreicht werden. Wenn die Nische zu klein und zu spezifisch ist, wird es schwer, das Produkt später für größere Benutzergruppen zu erweitern. Am besten hat man zu Beginn eine klare, überschaubare Nische zum Testen. Trotzdem sollte das MVP bereits so gebaut sein, dass man es später für einen größeren Markt erweitern kann.
Entwickelt man etwa einen Trainingsplaner für Fußballmannschaften, kann man mit dem eigenen Verein als Persona starten. Das tut man aber im Bewusstsein, dass die App später auf alle Vereine von der 1. Bundesliga bis zur Kreisliga skaliert werden kann.
Auch wenn diese Erweiterung beim Launch zunächst keine unmittelbare Rolle spielt, ist es sinnvoll, das Potenzial bereits bei der Programmierung der App zu berücksichtigen. Damit spart man Zeit und Aufwand, wenn es dann tatsächlich ans Erweitern geht, und legt bereits ein erfolgreiches Fundament für die Zukunft des Produkts und die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Geschäftsidee.
6. Aufmerksamkeit der Zielgruppe gewinnen
Es ist wichtig, sich bereits vor der Erstellung des MVPs zu überlegen, wo und wie man seine Zielgruppe am besten ansprechen kann. Denn was nützt das genialste MVP, wenn man die Zielgruppe gar nicht erreicht?
Daher ist es wichtig zu wissen, wie man mit dem richtigen Marketing die Aufmerksamkeit der Zielgruppe gewinnt. Für frühe Nutzer:innen bieten sich hier – je nach Branche und MVP-Art – beispielsweise Social Media Postings, Facebook-Gruppen, Beiträge in passenden Internetforen, Produktvideos, Pressemitteilungen oder Previews an, die neugierig auf das MVP machen. Je besser man seine Zielgruppe kennt, desto genauer weiß man auch, wie man ihre Aufmerksamkeit am besten gewinnt und wo sie zu finden sind.
Die Erstellung: das erfolgreiche MVP
7. Das MVP muss ein echtes Problem lösen
Es reicht nicht, wenn das MVP eine nette Spielerei, ein „nice-to-have“ oder nur in der Theorie hilfreich ist. Das MVP muss eine konkrete, wirksame Lösung für ein ganz reales, praktisches Problem der Benutzer:innen liefern. Nur dann will die Zielgruppe das Produkt wirklich haben und ist auch bereit, Geld dafür auszugeben. Hierfür ist es wichtig, die pain points der Kund:innen genau zu kennen.
8. Das MVP muss sich vom Markt abheben und eine Nische besetzen
Gibt es bereits andere Anbieter mit ähnlichen Produkten? Das ist ein gutes Zeichen. Das heißt, dass es einen ausreichend großen Bedarf nach der Lösung des Problems der Zielgruppe gibt. Aber um auf diesem Markt dann erfolgreich zu sein, muss man sich natürlich von den anderen Anbietern abheben.
Das MVP braucht also einen klaren USP, der den Benutzer:innen einen Mehrwert gegenüber den Konkurrenzprodukten liefert. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn man eine bessere, einfachere oder günstigere Lösung für das gleiche Problem anbietet oder wenn das MVP zusätzliche nützliche Features hat.
Dafür muss man den Markt, die Konkurrenz und deren Produkte genau kennen. Man kann sowohl aus den Fehlern als auch aus den Erfolgen anderer Anbieter lernen. Bei Fehlern könnte die Frage lauten: Was könnte unser Unternehmen besser machen? Dann kann man nach dem Motto „Disrupt and differentiate!“ ein wirklich einzigartiges MVP mit echtem Mehrwert kreieren.
9. Das MVP sollte wirklich minimal sein
Ein erfolgreiches MVP wird dem M (minimal) in seinem Namen wirklich gerecht. Dazu gehört die Beschränkung auf Features, die für die grundlegende Funktionalität des MVPs unverzichtbar sind. Alles andere hat erst einmal Zeit. Ein mögliches Vorgehen besteht darin, eine Liste mit den gewünschten Features und einen genauen User Flow zu erstellen. Anschließend kategorisiert und priorisiert man die einzelnen Funktionen. Nur die Funktionen mit der höchsten Priorität kommen ins MVP, alle anderen fürs Erste nicht. Dabei kann auch schon mal die komplette Nutzeranmeldung rausfallen, wenn die Grundfunktionen auch ohne Benutzerkonto laufen können.
10. Das MVP sollte wirklich viable sein
Ein erfolgreiches MVP wird außerdem auch dem V (viable, funktional) in seinem Namen gerecht. Hier gilt es, genau die richtige Balance zwischen den beiden Eigenschaften zu finden. Das MVP sollte nicht so minimal werden, dass es nicht mehr praktisch benutzbar ist.
Das Ziel bei der MVP-Erstellung besteht nicht darin, grundsätzlich weniger zu erstellen, sondern darin, gerade das zu erstellen, was nötig ist, um das Problem der Benutzer:innen zu lösen und sich somit auf dem Markt abzuheben.
Je nachdem, wie viel konkurrierende Produkte es bereits gibt, kann das mal mehr, mal weniger sein. Wenn man ein einzigartiges MVP in einem neuen Markt erstellt, muss man weniger tun, als wenn man das MVP für einen etablierten Markt mit viel Wettbewerb kreiert.
11. Das MVP sollte Erkenntnisse über die Profitabilität der Geschäftsidee liefern
Gerade wenn es bereits etablierte Wettbewerber gibt, empfiehlt es sich, sein Produkt preislich unter dem marktüblichen Betrag anzusetzen. Die Gewinnmarge muss aber dennoch so hoch sein, dass man als Unternehmen nachhaltig wirtschaften und Profit generieren kann. Nur so kann man feststellen, ob aus dem MVP auch wirklich ein profitables Geschäftsmodell entstehen kann.
Die entscheidende Frage lautet: Ist die Zielgruppe wirklich bereit, für das Produkt den entsprechenden Preis zu zahlen? Selbst wenn man einen starken USP und eine klare Zielgruppe hat, nützt beides wenig, wenn das Endprodukt sich wegen der zu niedrigen Gewinnmarge als ein Verlustgeschäft herausstellt.
Nach der Erstellung: Launch und Test
12. Der Fokus sollte auf dem Testen der Produktidee liegen, nicht auf dem Geldverdienen
Das MVP ist nicht das Endprodukt, sondern der erste Schritt in Richtung des Endprodukts. Beim Launch eines MVPs sollte es vorrangig darum gehen, seine Produktidee auf dem Markt zu testen. Daher empfiehlt es sich, möglichst wenig Zeit und Aufwand in die Produktentwicklung zu stecken. Auch Profitabilität spielt dabei zunächst eine untergeordnete Rolle. Natürlich kann man ein MVP kostenpflichtig anbieten. Man sollte das auch tun, wenn das Business-Modell eine der Hypothesen ist, die man testen möchte. Ein MVP kann aber auch erfolgreich sein, wenn man wertvolle Erkenntnisse für die Erstellung des Endprodukts und Insights aus der Zielgruppe gewinnt – je nachdem, was eben die Ziele für die Erstellung sind.
13. Es sollte einen geschlossenen und einen offenen Launch geben
Es ist sinnvoll, sein MVP nicht sofort für die Benutzer:innen zu launchen. Stattdessen fängt man am besten mit einem geschlossenen Launch an. Dieser richtet sich an eine kleine, ausgesuchte Personengruppe (die auch nur innerhalb des Unternehmens bestehen kann). Der geschlossene Launch dient dazu, das MVP auf seine grundlegende Benutzbarkeit hin zu testen und auf Fehler zu untersuchen. Dann erst folgt der offene Launch, in dem man das MVP seinen echten Benutzer:innen zugänglich macht.
14. Der Launch sollte eher klein sein
Für den Launch eines erfolgreichen MVPs gelten andere Regeln als für den Launch des Endprodukts. Da das MVP nur der Anfang der Reise zum Endprodukt ist, verfügt es ja noch nicht über alle Features, was hier und da die Nutzung für die User:innen einschränkt. Daher teilt man das MVP zu Beginn nicht mit zu vielen User:innen.
Zuerst analysiert man anhand des Feedbacks für das MVP, ob es sich überhaupt lohnt, seine Produktidee weiterzuverfolgen. Dann erst verbessert man sein Produkt, skaliert und vermarktet es an immer größere Nutzergruppen. Hat man das Gefühl, ein stabiles Produkt und zufriedene Kund:innen zu haben, kann man einen großen Launch planen.
15. So viel Feedback sammeln wie möglich
Nach dem Launch des MVPs beginnt das Sammeln von Feedback. Das ist kein optionaler Schritt, sondern ein essenzieller Bestandteil des MVP-Mindsets. Auch wenn man lang an der Produktidee gefeilt hat – am Ende können nur die Benutzer:innen wirklich sagen, welche Features benötigt werden und welche nicht.
Es ist also wichtig, möglichst viel Feedback zu sammeln und Kritik nicht als negativ, sondern als wertvoll zu empfinden. Hier hilft auch die Bereitschaft, vorherige Annahmen über seine Produktidee wieder zu verwerfen, wenn das Feedback zeigt, dass sie falsch waren.
16. Nach dem Launch den Erfolg des MVPs messen
Wenn das MVP gelauncht ist, reicht es nicht, nur Feedback sammeln. Es kommt auch darauf an, den Erfolg des MVPs genau zu messen und zu quantifizieren. Anstatt auf subjektive Einschätzungen verlässt man sich hier am besten auf verwertbare, objektive Zahlen und Daten. Hier kommt man wieder auf die Hypothesen und Ziele zurück, die man am Anfang definiert hat. Je genauer man sie zu Beginn definiert hat, desto besser kann man jetzt feststellen, ob das MVP die gewünschten Ergebnisse erzielt hat oder nicht. Je nachdem, was man für ein MVP anbietet, kommen hier verschiedene Messgrößen infrage. Denkbar sind beispielsweise Surveys für die Benutzer:innen, aber auch der Traffic auf der Webseite, die Konversionsrate der Landingpage oder ähnliche Metrics.
Fazit
Die Grundlagen für ein erfolgreiches MVP legt man bereits in der Planungsphase. Es lohnt sich also, in allen drei Phasen (Planung, Erstellung, Launch) immer wieder die hier genannten Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen. Wenn man feststellt, dass man bei einem der Punkte noch Nachholbedarf hat, lohnt es sich, sein Konzept an dieser Stelle noch einmal zu überarbeiten. Das sollte, wenn man dem MVP-Ansatz folgt, problemlos möglich sein.